KI, die künstliche Türsteherin!
KI steht für „ künstliche Intelligenz “: selbstlernende Computerprogramme kümmern sich nicht um Hautfarbe, Religion, Geschlecht usw. Oder doch? Um die Prozesse während der Bewerbung zu vereinfachen und den Bewerbern schneller antworten zu können, greifen immer mehr Unternehmen im Recruiting auf smarte Software oder künstliche Intelligenz zurück.
Es gibt Positionen, welche schwer zu besetzen sind, wie z.B. gute Softwareentwickler. Dann gibt es Positionen, welche kein spezifisches Fachwissen erfordern. Für letztere liegt die Hemmschwelle tief, und Unternehmen werden mit Bewerbungen überschwemmt. Beide Situationen fordern Personaler heraus.
Wie funktioniert so eine künstliche Türsteherin?
Vielen Bewerbern sind Worte wie „Applicant Tracking System (ATS)“ unbekannt. Hierbei handelt es sich um Computerprogramme / KI die im Bewerbungsprozess wie eine Art Türsteherin agieren und entscheiden , wer zum Vorstellungsgespräch eingeladen wird.
Bisher wurden Bewerbungen von Recruiter*innen beurteilt. Menschen tendieren aber dazu, vorwiegend Menschen zu (be)fördern, die Ähnlichkeit mit Ihnen selbst aufweisen. Das Phänomen hat sogar einen Namen: das Thomas-Prinzip .
Die KI sollte nun dabei behilflich sein , die Qualifikation eines Bewerbers zu bewerten, ohne Geschlecht, Religion, Herkunft oder Aussehen zu berücksichtigen.
Die KI scannt jede Bewerbung und erstellt ein Kandidatenranking. Bewerber*innen, welche nicht für die Position in Frage kommen, erhalten direkt eine Absage, die anderen eine Einladung zum Vorstellungsgespräch.
Leider zeigen verschiedenste Studien, dass auch die KI nicht frei von Vorurteilen ist. Der Grund liegt darin, dass sich die KI ansieht, welche Entscheidungen bisher erfolgreich waren, und baut darauf auf.
Was „bisher erfolgreich war“, lernt die KI durch die Analyse bestehender Daten . Wenn es also bisher immer erfolgreich war, eine Position mit einem Mann zu besetzen, wird die KI daraus lernen, dass eine Frau keine Idealbesetzung für eine bestimmte Position ist.
Für eine neutral wertende KI wäre es essenziell, dass die Daten für das Einlernen völlig neutral sind. Dies ist aber de facto nicht möglich. Zudem sammelt eine KI auch eigene Erfahrungen , die wiederum in den Entscheidungsprozess einfließen. Auch dies führt zu einer (möglicherweise ungerechten) Gewichtung.
Ein gutes Beispiel ist Amazon: Frauen wurden abgelehnt, weil in der Vergangenheit manche Positionen nur von Männern besetzt wurden. Die KI lernte daraus, dass Frauen weniger geeignet seien. 2018 beendete Amazon die Verwendung dieser KI.
Tests, welche bei Algorithmen Rassismus und Sexismus belegen, gibt es bereits viele. Z.B. Funktioniert die automatische Bilderkennung deutlich schlechter bei Frauen und Menschen mit dunkler Hautfarbe. Siri und Alexa erkennen u.a. Befehle von weißen Menschen besser als von Afroamerikanern.
Viele Unternehmen versprechen sich Kostenersparnisse und Zeitgewinnung, wenn sogar Erstgespräche von der Software übernommen werden. Als Unterstützung sehen es zahlreiche junge Unternehmen. Sie vergleichen mithilfe der KI verschiedene Uni-Abschlüsse, analysieren Bewerbungen sprachpsychologisch, oder untersuchen Bewerbervideos per Algorithmus.
Wie bezirzt man die Türsteherin?
Die Unternehmensleiterin des Startups Lionstep Claudia Bolliger-Winkler schätzt, dass ca. 50-80 Prozent der Großkonzerne bereits KI im Recruiting Prozess benützen . Daher rät sie Bewerbern alle relevanten Keywords für die gewünschte Stelle in der Bewerbung einfließen zu lassen.
Aber welche Keywords sind vorteilhaft? Dies verrät die Stellenbeschreibung . Das Inserat muss man genau lesen und überlegen welche Begriffe branchenspezifisch interessant sein könnten (z.B. eine bestimmte Programmiersprache in der IT-Branche)
Jeder Bewerber sollte – egal ob ein Mensch oder eine KI die Bewerbung liest – auf Rechtschreibung achten. Eine KI kann womöglich das Wort nicht lesen und die Bewerbung fliegt aus dem Bewerbungsprozess. Während ein Mensch eine aufwändige Formatierung gutheißen mag, ist diese für eine KI oft hinderlich. Aus diesem Grund ist es empfehlenswert die Formatierung einfach zu halten.
Türsteherinnen in der Zukunft
Wolfgang Bönisch hat sich im Rahmen einer Buchrecherche intensiv mit dem Thema KI auseinandergesetzt. Er ist davon überzeugt, dass die Print-Bewerbungen in Zukunft zu 100% verschwinden werden. Stattdessen werde KI-Programme dem Bewerber Fragen stellen . Deren Antworten können bewertet werden. Es gibt bereits Applikationen, wie z.B. „Matilda“, welche bereits 2016 von australischen Forschern vorgestellt wurde. Matilda führt automatisierte Vorstellungsgespräche anhand von 76 Fragen. Aus diesem Grund empfiehlt Bönisch Bewerbern sich intensiv mit dem potenziellen Arbeitgeber zu beschäftigen: Welche Werte, Ziele, Kennzahlen hat dieser?
… und so nebenbei, unabhängig davon ob der Bewerbungsprozess von einer KI begleitet wird oder nicht, schadet es grundsätzlich nicht, sich mit dem potentiellen Arbeitgeber auseinander zu setzen .